Müssen Kinder immer so laut sein? - Kita kinderzimmer Hamburg

Müssen Kinder immer so laut sein?

  • Circa 5 Minuten Lesezeit

Interview: Vivian Alterauge | Foto: Benne Ochs

Das ist ja ganz schön wuselig hier. Zu Beginn Deiner Zeit als Erzieher muss Dir doch abends der Kopf gedröhnt haben, oder?
Durchaus! In der Kita hat man ja schon eine gewisse Geräuschkulisse, und an die muss man sich zu Beginn erst mal gewöhnen.

Welche Voraussetzungen kann man denn zunächst schaffen, dass der Lärm für Erzieher und Kinder in der Krippe erträglich bleibt?
Eine gewisse Geräuschkulisse hat man immer, aber das ist normal. Wir möchten ja, dass die Kinder sich unter- halten und aktiv am Geschehen teilnehmen. Wichtig ist, dass sie genug Inspiration bekommen und gut beschäftigt sind, durch Freispiel oder gezielt angeregte Angebote. Durch unser Spielangebot sind die Kinder immer so begeistert, dass es keine Zeit mehr zum Laut-sein gibt. Es gibt halt viel zu entdecken bei uns. Und wenn alle Kinder lauthals lachen, weil das, was sie gerade machen, so toll ist, geht einem das Herz auf, und das Mitlachen ist programmiert!

Und wann wird es mal so richtig laut?
Wenn alle noch fit sind, kann man sie sehr gut für viele Aktivitäten begeistern. Wenn sie gegen Mittag müde sind und anfangen, weinerlich zu werden, wird es etwas schwieriger. Da wird es auch mal etwas lauter, weil die Kinder verständlicherweise einfach sensibler auf alles reagieren. Da muss sich nur einer wehtun und anfangen zu schluchzen, schon gibt es eine Kettenreaktion. Das kann auch etwas stressig werden. Dann hilft ein-fach, sich ein paar Kinder zu schnappen und mit ihnen ein Buch anzuschauen, vorzulesen oder ein Lied zu sin-gen. Das entspannt alle und bringt Ruhe. Oft hilft auch einfach nur Kuscheln und Ablenkung.

Mittagessen mit müden Kindern ist sicherlich auch spaßig.
Wenn sie schon am Tisch sitzen und warten, fangen bereits einige an zu weinen. Man wendet dann kleine Tricks an, damit sie beschäftigt sind während der Wartezeit, zum Beispiel kann man Fingerspiele machen. Und wenn das Essen da ist, sind sowieso alle beschäftigt und zufrieden.

Was ist, wenn ein Kind begeistert mit einem Kochlöffel auf dem Holzgerüst herumtrommelt und den ganzen Raum beschallt?
Für Kinder ist es kein Lärm, sondern ein unglaublich tolles Erlebnis! Natürlich ist lautes Spielen besser als lautes Weinen, da hierbei alle glücklich sind. Wenn wir merken, dass sie über einen langen Zeitraum Lärm machen und sich das auch auf die Gruppe auswirkt, bieten wir Alternativen an und erklären, weshalb das Spiel in der Situation gerade zu laut ist und dass es beim nächsten Spielen im Außenbereich vielleicht besser geeignet ist als drinnen. Oft verstehen die Kinder einen sehr gut.

Gibt es auch besonders lärmempfindliche Kinder?
Die gibt es natürlich, sie weinen auch mal schneller, wenn es wuselig wird. Das muss aber kein dauerhafter Zustand sein und hat auch viel mit Bindung zu tun.

Mit Bindung?
Je enger und sicherer ein Kind an seine primären Bezugspersonen – das sind meist die Eltern – gebunden ist, desto leichter fällt es, neue Bindungen und Situationen anzunehmen und zu explorieren. Weisen Kinder hier eine schlechte Bindung auf, fällt es ihnen auch schwerer, eine Bindung zu neuen Bezugspersonen auf-zubauen. Dies dauert dann häufig länger, und die Kinder weisen größere Trennungsängste auf.

Was kann man für diese Kinder tun?
Die Eingewöhnung in der Kita ist von großer Bedeutung. Hier liegt es an uns und den Eltern, durch engen Aus- tausch und Zusammenarbeit einen gelungenen Über-gang zu schaffen. Aber auch nach einer erfolgreichen Eingewöhnung kann es anfangs zu Unsicherheit kommen. Trost und Nähe sind in solchen Situationen gold-wert. Die Kinder merken, dass wir immer für sie da sind, ihnen Halt, Schutz und Geborgenheit bieten, was wiederum die Bindung stärkt und Resilienz fördert.

Und was machen lärmempfindliche Erzieher?
Es liegt an mir, die Situation so zu drehen, dass es ruhiger wird. Dies geht ganz einfach mit Angeboten und Inspirationen für Kinder. Die erste Regel ist immer, selbst ruhig zu bleiben und nicht zu versuchen, die Kinder zu übertönen, denn das stresst einen nur noch mehr.

Weil sich das auf die Kinder überträgt.
Wir sind Vorbilder für die Kinder, und wenn sie merken, dass wir ruhig sind, werden sie es auch. Wir begegnen Kindern gleichzeitig auf Augenhöhe. Dazu gehört, ihnen in Ruhe zu erklären, wieso man die Lautstärke als unangenehm empfindet und was man gemeinsam dafür tun kann, dass sich alle im Raum wohlfühlen. Kinder haben oft super Ideen, wie wir es schaffen und gemeinsam ausprobieren können. Hier ist Partizipation und Einbinden der Kinder gefragt.

Gibt es denn im Elementarbereich Regeln für die Lautstärke?
Hier nutzen wir gezielt unsere Lärmampeln. Die Ampel misst den Lautstärkepegel im Raum und zeigt dann Rot für zu laut und Grün für eine perfekte Lautstärke an. Diese dient den Kindern zur Orientierung. Oft merken sie nicht, wie laut es wird, wenn sie vertieft sind im Spiel. Ständig ist die Ampel jedoch auch nicht an, da die Kinder sie sonst nicht mehr wahrnehmen.

Und was hilft dann anstelle der Lärmampel?
Angebote, Gemeinschaftsspiele oder sonstige Aktivitäten. Kinder sind sehr wissbegierig und lieben es, neue Dinge zu entdecken und ihre Umwelt zu erkunden. Die Möglichkeit, dies zu tun, müssen wir ihnen ganz einfach zur Verfügung stellen, und so regelt sich das schon fast von allein. Wird es dann doch mal etwas wuseliger, bietet man etwas ruhigere Aktivitäten an wie Puzzeln, Kneten oder auch Lesen.

Zu Hause hat man ja nicht gleich ein Dutzend Kinder, die Lärm machen. Manchmal reicht aber schon eins. Welche Tipps hast Du für Eltern?
Um Kinder an Ruhe zu gewöhnen, sollten Geräte wie der Fernseher auch mal länger ausgeschaltet bleiben. Für eine kurze Fantasiereise ist wohl jeder zu haben. Man kann auch einfach mal gemeinsam ein Puzzle machen oder ein tolles Bild malen, um Energie für die nächsten Abenteuer zu sammeln, die gern etwas wilder und lauter sein dürfen. Die Mischung macht es eben!