Dein Körper ist gut, Deine Gefühle sind okay!
Ob wir uns später selbst mögen und wie positiv wir unsere eigene Sexualität erleben, hängt stark mit den Erfahrungen zusammen, die wir in der Kindheit machen. Werden Kinder für ihre körperliche Neugierde ausgeschimpft, reagiert der Papa angewidert oder die Mama beschämt, fangen die Kinder an, sich zu verstecken und zu schämen. Sie besetzen den Körper und die Sexualität als tabu. Wir sollten versuchen, gelassen zu bleiben, ihnen in dem Moment Raum geben (es sei denn, es passiert allzu exponiert...). Wer mag, fragt, was sie gerade getan haben und wie sie sich dabei fühlen.
Aufklärung, Schritt für Schritt.
Wenn Kinder fragen stellen wie „Tat es doll weh, als mein Bruder zwischen Deinen Beinen rauskam?“, sind sie auch reif genug für altersgerechte Antworten. Auch wenn das mitten im Bus kommt und zur Freude aller Mithörenden geschieht – ein Kind ist halt brennend interessiert am neuen Geschwisterchen. Zu dem Thema gibt es viele tolle Bücher.
Grenzen setzen.
„Nein heißt immer Nein.“ Dieser Satz ist für jedes Kind wichtig, denn sie sollen ja von klein auf lernen, wo ihre Grenzen sind. Wenn ein Kind etwas nicht will, sei es, von einem bestimmten Erzieher gewickelt zu werden, sich mit der Freundin nackt auszuziehen oder einen Kuss von Oma zu bekommen, dann muss sein Nein auch respektiert werden. Denn Kinder, die Nein sagen, weil sie wissen, was sie möchten, und vor allem, was nicht, werden weniger leicht zum Opfer von Missbrauch.
Körper & Geist
Sind Doktorspiele erlaubt?
Wenn Kinder auf Entdeckungstour gehen, bleiben wir am besten gelassen. Denn ein positiver Umgang mit frühkindlicher Sexualität stärkt das Selbstvertrauen.
Text: Janina Jetten | Foto: Bernd Westphal

Was gibt’s Niedlicheres als die eigene Tochter, die sich beim Zuckowski-Smashhit „Nackidei“ alle Klamotten auszieht und mit ihrem kleinen nackten Popo fröhlich durch die Gegend tanzt? Aber dann liegt sie plötzlich vor der Mama und fordert genauso fröhlich: „Kannst Du mich hier streicheln? Da, wo es so schön kitzelt.“ Oder der Sohn, der nun ausgerechnet an der Supermarktkasse aller einkaufenden Welt stolz erklärt: „Papa, ich hab hart da unten.“ Solche Situationen erleben früher oder später alle Eltern und Pädagoginnen und Pädagogen.
Wenn sich die Kleinsten hinhocken und den anderen beim Pipimachen zusehen. Wenn die Vierjährigen sich verstecken und die Erzieherin sie findet, wie sie sich nackt Scheide und Penis zeigen. Irritierende Anblicke, sicher, aber kein Grund, sich Sorgen zu machen: Kinder machen so etwas ohne Hintergedanken, einfach weil es spannend ist und weil diese Körperteile eben nicht so in den Alltag integriert sind wie Hände oder Füße. Kinder denken nicht sexuell, sie verstehen nicht, dass für uns nicht alle Körperteile gleich sind, sie denken noch nicht in Tabuisierungen. Die Erzieherinnen und Erzieher nehmen solche Geschehen zum Anlass, um alle Kinder an die wichtigsten Regeln zu erinnern: „Es wird nichts in die Körperöffnungen gesteckt.“ Und: „Nein heißt immer Nein!“ Dann können alle weiterspielen.
Eigentlich ist es ganz einleuchtend: Kleine Kinder sind extrem neugierig und sinnlich. Sie wollen erkunden, ertasten, erschmecken. Und was steht ihnen dafür quasi jederzeit zu Forschungszwecken zur Verfügung? Ihr eigener Körper. Dabei machen sie keinen Unterschied zwischen Füßen, Haaren oder eben den Geschlechtsteilen. Wir sind es, die irritiert und befremdet sind, wenn wir Erektionen bei Babys beobachten, uns mit Doktorspielen befassen müssen und mitten im Bus gefragt werden: „Wann darf ich mit Emil mal wieder Scheide und Penis spielen?“ Die eigenen Vorstellungen von Sex passen nun mal nicht zu unschuldigen reinen Wesen, als die wir unsere Kinder empfinden. Diese Attribute jedoch sind genau genommen übergestülpt, denn Kinder erleben von Geburt an sexuelle Erfahrungen. Anders als bei Erwachsenen sind diese jedoch nicht auf einen lustvollen Höhepunkt ausgerichtet.
Sein erstes Lustempfinden macht ein Neugeborenes über den Mund: Es saugt und nuckelt. An Brustwarze, Schnuller, Finger, Fläschchen. Und denken wir doch nur mal an das Wohlfühlprogramm der ersten Monate: Babys werden beschmust, bekuschelt, geküsst und massiert. Berührungen zwischen Eltern und ihren Kindern dienen vor allem einer gesunden Bindung. Ein Neugeborenes fühlt sich wohl, wenn es Körperkontakt mit der Mutter hat. Durch das Streicheln der Haut, des größten Sinnesorgans, erfährt es, dass sein Körper, es selbst, geliebt wird.
„Alva und ich haben geschmust. Wir bekommen jetzt halt ein Baby.“
Ab dem Alter von zwei jahren wird das Forschen bewusster. Das Kind unterscheidet zwischen Mädchen und Junge, und es kommen Fragen wie: „Warum hab ich einen Knochen in der Hose?“ Ist doch klar, dass das, was sich da meistens unter der Windel versteckt, eingehender betrachtet werden muss. Da wird der Penis so lang gezogen, dass es einem selbst beim Zusehen wehtut, die kleine Tochter wiederum verrenkt sich fast das Köpfchen, um die Scheide zu betrachten, die Hände gehen auf Entdeckungstour. Ohne Ziel oder Plan. Und selbst wenn der Sohn in den Augen der Eltern viel zu häufig am „Schniepi“ rumspielt, ist das noch lange kein Grund zur Sorge: In unsicheren Situationen sorgt das Anfassen bei ihm für Geborgenheit und Beruhigung.
Mit vier oder fünf ist die geistige und körperliche Entwicklung so weit fortgeschritten, dass das Interesse für das eigene oder andere Geschlecht eine neue Stufe erreicht. Um sich und vor allem den Freund oder die Freundin genauer zu betrachten, spielen Kinder in diesem Alter gern Doktorspiele. Jetzt geht es schon mal gründlicher zu. Auf Nachfrage, was denn in den verdächtig stillen Minuten hinter verschlossener Tür passiert sei, kommt dann die selbstbewusste Antwort: „Alva und ich haben geschmust. Wir bekommen jetzt halt ein Baby.“
Frühkindliche Sexualität ist etwas ganz Natürliches – und wir tun gut daran, unsere Kinder liebevoll und mit Respekt zu begleiten.
Ein paar Tipps, wie das gelingen kann:
Dem Kind einen Namen geben.
Dem Sohn ist es egal, ob die Eltern Pipimann, Penis, Mumu oder Scheide sagen. Wichtig ist nur, dass die Genitalien wie alle anderen Körperteile beim Namen genannt und nicht tabuisiert werden.
Das will Mama aber jetzt nicht.
Die Scheide der Tochter eincremen, gerade als Mann findet man das befremdlich. Sich nackt vor den Kindern zu zeigen vielleicht auch. Niemand braucht das eigene Schamgefühl zu übergehen. Unsere Kinder verstehen, wenn wir ihnen klar und ruhig sagen, dass wir etwas nicht möchten – so wie wir auch sagen, dass wir keinen Brokkoli mögen. Kinder lernen wie von selbst, dass jeder das Recht hat, Nein zu sagen. Auch sie selbst.
Nicht überall, bitte...
Beim Spieldate mal eben mit Wonne in der Hose rumwühlen, den Rock heben und die Scheide zeigen – ups, wie unangenehm. Da hilft schnelle Ablenkung und ein Satz wie: „Zu Hause ist es okay, wenn Du das machst, aber nicht in der Öffentlichkeit.“ Manches bleibt privat, das kapiert schnell auch das Kind.
In heiklen Situationen.
Wenn ein Kind von einem anderen zu etwas gezwungen wurde, müssen wir eingreifen. Aber möglichst nicht zu übertrieben. Vernünftig darüber reden und sagen, dass niemand etwas gegen seinen Willen tun sollte, bewirkt mehr, als wenn bestraft oder geschimpft wird.
Aufs Bauchgefühl hören.
Niemand kennt das eigene Kind so gut wie Mama und Papa. Wenn „etwas“ nicht stimmt, sollte die Intuition siegen – sprechen Sie unbedingt unsere Erzieher an. Gemeinsam können wir der Sache auf den Grund gehen.