Isa heißt jetzt Max. Na und? - Kita kinderzimmer Hamburg

Isa heißt jetzt Max. Na und?

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Text: Roland Rödermund

Als Max selbst noch ein Kitakind war, war er sich gar nicht bewusst, dass etwas an ihm anders war. „Ich würde mich im Rückblick als vielleicht etwas zu schüchtern beschreiben, aber ich hängte mich damals immer an meine Sandkastenfreundin – und dann war alles gut.“ Damals hieß Max noch Isabell, vor 28 Jahren wurde er als Mädchen geboren. Seit drei Jahren arbeitet er hier im kinderzimmer als Erzieher.

Als Kind probierte Max sich in beiden Rollen aus: „Ich habe sowohl begeistert am Bobbycar rumgewerkelt als auch liebend gern mit meinen Barbies gespielt.“ Später, in der Schule, fiel es ihm immer schwerer, Anschluss zu finden. Es begann eine lange Zeit des Einzelgängertums, die sich durch seine gesamte Schullaufbahn zog. Auch wenn Max sich gar nicht anders fühlte, wurde er von anderen so gefühlt. „Ja, das trifft es. Selbst konnte ich meine Gefühle ja lange Zeit nicht einordnen, wusste nicht, was mit mir nicht stimmte. Aber es gab immer andere Kinder oder auch Erwachsene, die offenbar schon wussten, was mit mir los war. Das tat weh.“ Gleichzeitig wurde der Wunsch, ein „richtiger“ Junge zu sein, den Körper an seine Gefühle anzupassen, über die Jahre stärker.

Menschen wollen dazugehören, akzeptiert und geliebt werden. Sich nicht dazugehörig zu fühlen, ausgegrenzt zu werden, ist für eine transsexuelle – oder korrekt: transidente – Person ein alltägliches Gefühl. Weil sie sich selbst in ihrem biologischen Körper falsch fühlt, sich einfach nicht damit identifizieren kann, weil sie sich wünscht, ein anderes Geschlecht zu haben. Auch wenn das auf Unverständnis und Ablehnung stößt, weil es eben bei vielen Menschen für Verwirrung sorgt. Wir wünschen uns Eindeutigkeit. In dieser hochkomplexen Welt kann man bei Facebook mittlerweile aus sechzig Geschlechtern wählen.

Bei einigen Eltern löste Max’ Geschichte Empörung aus.

Was stimmt nicht mit mir? Wieso bin ich nicht wie die anderen? Geht das wieder weg? Fragen, die auch Max sich immer wieder stellte. Wenn er über seinen langen Weg der Selbstfindung spricht, den Weg von Isabell zu Max, dann klingt es befreit. Sein Lachen ist ansteckend, auch wenn er reflektiert und empfindsam wirkt, strahlt er innere Ruhe und Lässigkeit aus, die nichts so schnell erschüttert. Auch nicht die drei kleinen Mädchen, die gerade laut krakeelend über den Kitaflur rennen. „Ich war schon immer eher der sanftere, entspannte Erziehertyp, das hat sich als Mann auch nicht geändert. Ich bin jetzt nicht plötzlich ruppig oder strenger.“ Und dann schiebt er augenzwinkernd hinterher: „Man sagt ja eh, dass die Männer als Erzieher viel lascher sind.“

Die Lässigkeit hatte Max anfangs noch nicht, als er vom Lob in der Kita hörte. Zu der Zeit war ihm klar geworden, dass er vollständig als Mann leben möchte. Diese völlige Klarheit herrschte zufällig erst kurz vor der Bewerbung beim kinderzimmer. „Ich hatte mich damals noch mit meinem Mädchennamen beim kinderzimmer beworben und war unsicher. Sollte ich mich sofort outen oder es verschweigen?“ Noch während der Probezeit sprach Max mit der Kitaleitung und erzählte von seinen Plänen, von den Ausfällen, die es in der nächsten Zeit durch Krankenhausaufenthalte bei einer Geschlechtsumwandlung geben würde. Inzwischen ist Max einer der am meisten geschätzten Mitarbeiter. „Wir alle im kinderzimmer lieben und fördern ihn, weil er sehr sensibel und strukturiert im Umgang mit den Kindern ist. Und er ist der beste Teamplayer“, erzählt eine Kollegin.

Weder Kollegen noch Vorgesetzte hatten ein Problem damit, als Isabell irgendwann zu Max wurde. Erst recht nicht die Kinder. „Ich habe einen Morgenkreis dazu gemacht, ihnen alles erklärt“, erzählt Max. „Früher war ich ein Mädchen, heute bin ich ein Junge – ich heiße jetzt nicht mehr Isabell, sondern Max!“ Das war ziemlich einfach.“ Bei einigen Eltern löste Max’ Geschichte Empörung aus, sie kündigten dem kinderzimmer. Doch bei uns ist die freie Entfaltung und Entwicklung der Pädagogen und Pädagoginnen genauso wichtig wie die der Kinder – alle standen und stehen hundert Prozent hinter Max und seiner Entscheidung. Schön wäre es, wenn sich Eltern vor so einer Entscheidung erst mal fragen: Was könnte es meinem Kind bringen, wenn die Vielfalt in seiner Kita mit gutem Beispiel gelebt wird? Wird meine Tochter oder mein Sohn nicht dadurch ein weltoffener, vorurteilsfreier Mensch? Warum können wir Erwachsenen nicht so offen wie unsere Kinder mit dem vermeintlich Fremden umgehen?

Die Kinder akzeptierten ihren neuen Erzieher sofort – und erinnerten sich gegenseitig daran, wie er heißt „Meeeeensch, Isabell ist doch jetzt Max!“ Ihm selbst ist am wichtigsten, den Kindern zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse zu achten. „Auch wenn ein Kind ‚irgendwie anders’ ist!“