Musik
Was lehrt uns ein Wunderkind?
Es gibt sie wirklich; die Ăberbegabten, die alles auf Anhieb können. Doch gerade wem alles leicht fĂ€llt, hat es manchmal schwer. Ein âWunderkindâ erzĂ€hlt.
Interview: Sabine Cole | Foto: Thomas Entzeroth
Als Daniel Hope im Alter von vier Jahren Geiger werden wollte, sagte sein ZiehgroĂvater, der legendĂ€re Geiger Yehudi Menuhin: âDer Arme.â Heute ist Daniel Hope lĂ€ngst selbst ein Weltstar. Wir wollen von ihm wissen, wie es ist, ein âWunderkindâ zu sein und von einem ehemaligen âWunderkindâ unterrichtet zu werden, und wie er heute mit seinem eigenen Sohn umgeht. Musikalisch gesehen.
An alle Wundereltern
Kurz vor Weihnachten, das Jahr 2018 neigt sich dem Ende zu. Bis auf Heiligabend steht der Familienvater und Violinist Daniel Hope jeden Abend auf der groĂen BĂŒhne irgendeines weltberĂŒhmten Konzertsaals, heute ist es die Hamburger Elbphilharmonie. Trotzdem nimmt sich Daniel Hope Zeit fĂŒr ein Interview, denn Kinder liegen dem Weltklasse-Geiger ganz besonders am Herzen. Und zwar alle Kinder. Nicht nur die musikalischen ...

Daniel Hope wurde 1973 im sĂŒdafrikanischen Durban geboren. Als er sechs Monate alt war, ĂŒbersiedelte die Familie nach Europa. Mit vier lernte Daniel Hope das Violinspiel, mit zehn ging er ans Londoner Royal College of Music. Yehudi Menuhin, dem er mit zwei Jahren âin den SchoĂ fielâ, widmete er 2016 das Album âDaniel Hope â My Tribute to Yehudi Menuhinâ.
Sie haben mit vier angefangen, Violine zu spielen. Können Sie sich noch daran erinnern, wie dieser Wunsch zustande kam?
Meine Mutter arbeitete als SekretĂ€rin und spĂ€ter als Managerin fĂŒr Yehudi Menuhin. Als ich klein war, nahm sie mich oft mit, denn es gab noch keine Kitas. Wann immer ich zu ihm kam, war das Haus erfĂŒllt mit Musik. Menuhin sagte, Geige zu spielen sei so natĂŒrlich fĂŒr ihn wie fĂŒr einen Vogel das Fliegen. Nie wĂŒrde ein Vogel morgens aufwachen und auf einmal keine Lust mehr verspĂŒren zu fliegen. Es war also irgendwie naheliegend, dass ich selbst den Wunsch hatte, Violine spielen zu lernen.
Mögen Sie das Wort âWunderkindâ? Und wann ist ein Kind ein Wunderkind?
Ich mag das Wort nicht besonders, vor allem nicht, wie es benutzt wird. Jedes Kind ist fĂŒr mich ein Wunder, denn jedes Kind ist auf seine Art einzigartig. Aber wenn Sie das musikalische Wunderkind meinen â das gibt es natĂŒrlich. Es gibt Genie-Wunderkinder wie zum Beispiel Mozart. Und es gibt âgemachteâ, die von ehrgeizigen Eltern dahin getrieben werden. Wenn man natĂŒrliche, also fantastisch begabte Wunderkinder trifft, kann man sich darĂŒber nur freuen, aber das liegt nicht in der eigenen Hand. Ich bin in Kontakt mit einer sehr jungen und sehr begabten Geigerin. Wichtig finde ich es, dass sie sich nicht nur auf die Musik konzentriert, sondern auch den Kopf mit Bildern anfĂŒllt, dass sie liest und hinausgeht in die Natur. Und auch Sport zu treiben, am besten im Team, ist wichtig.
Ihr Lehrer, der legendĂ€re Geiger Yehudi Menuhin, empfand es durchaus als BĂŒrde, ein Wunderkind gewesen zu sein. Wie ging es Ihnen damit?
Ich war kein wirkliches Wunderkind. Ich durfte sehr frĂŒh auf sehr hohem Niveau Musik machen, und meine Eltern haben dies auch gefördert. Aber ich war immer sehr vielfĂ€ltig interessiert. Auch heute: Ich schreibe BĂŒcher, ich habe eine eigene Radiosendung, und es ist nicht alles auf die Musik fixiert.
Wie haben Sie Menuhin als Kind erlebt? War er ein strenger Lehrer?
Er war ein fantastischer Lehrer. Er war sehr grĂŒndlich, aber seine Kritik war immer konstruktiv. Gerade als ich klein war, hat er nie versucht, einen Willen durchzusetzen, sondern er hat mir Alternativen aufgezeigt. Als Knirps konnte ich âYehudiâ nicht aussprechen. Ich habe es nur mit MĂŒhe geschafft, âHudiniâ zu sagen. Daraus wurde sein Spitzname â sein ganzes Leben lang habe ich ihn fast immer âHudiniâ genannt. Das fand er so köstlich, dass er mehrere Briefe mit âHudiniâ unterschrieben hat. Ab und zu unterzeichnete er auch als âder alte Fiedlerâ. Und er hat sich oft als mein âmusikalischer GroĂvaterâ bezeichnet. Das sind natĂŒrlich sehr schöne und inspirierende Erinnerungen.
Was macht einen guten MusikpÀdagogen aus?
Dass er selbst die Musik liebt und versteht und ein Talent hat, dies zu vermitteln.
Waren Sie ein begeisterter SchĂŒler?
Am Anfang war ich sehr enthusiastisch. Es vergehen allerdings Monate, bis man die ersten sauberen Töne auf einer Geige spielen kann, es muss also meistens grauenhaft geklungen haben. Auch bei mir. Meine erste Lehrerin wollte mich eigentlich gar nicht unterrichten, weil ich noch zu jung war. Aber als ich bei ihr die tollen kleinen Geigen an der Wand sah, bekam ich so einen schlimmen Wutanfall, dass sie mich nur beruhigen konnte, indem sie mir ein Instrument in die Hand gab. Und dann hab ich einfach drauflosgespielt.
Wie erkennen Eltern ein herausragendes musikalisches Talent?
Man merkt einfach, wenn ein Kind spielend Leistungen bringt, die anderen schwerfallen. Ob es herausragend ist, kann man natĂŒrlich hören, wenn man selbst Musiker ist. Ansonsten gibt es fast immer jemanden im Bekanntenkreis, den man um Rat bitten kann, dem ein Weg einfĂ€llt, ein solches Kind zu fördern. Ein sehr begabtes Kind, das Musik machen will, wird immer seinen Weg finden. Man spĂŒrt ja auch als Elternteil, ob das Kind es ernst meint mit der Musik oder alle zwei Wochen das Interesse wechselt.
Muss Musik immer Spaà machen? Wo hört Fördern auf und fÀngt Fordern an?
Musik sollte SpaĂ machen, vor allem, wenn die Kinder klein sind. Am besten, man lernt die Ehrfurcht spielerisch. Ich hatte das groĂe GlĂŒck, als Kind zu einer bekannten Geigenlehrerin zu kommen, die uns Kinder, wĂ€hrend wir Geige spielten, im Kreis gehen lieĂ. Dies hat die Koordination gefördert, die Haltung, einfach alles. Und es war nicht so verkrampft, wie immer an seinem Platz zu stehen, man hat die NatĂŒrlichkeit im Spiel gelernt.
Kann man MusikalitÀt fördern?
Sicher. Wenn man schon in der Schwangerschaft Musik hört, wirkt sich das auf den Embryo generell vorteilhaft aus. Wir wissen heute, dass Musik Gehirnareale im positiven Sinne verĂ€ndert â somit kann man durch Musik diese Areale auch stimulieren. Ob ein Kind sich aber fĂŒr ein Instrument entscheidet oder lieber FuĂballer oder Maler oder Pilot werden will, das ist individuell. Und da gibt es auch kein âgutâ oder âbesserâ.
Ist Ihr Sohn musikalisch, und wie fördern Sie ihn?
Meine Frau und ich haben 2018 einen zweiten Sohn bekommen. Der ist natĂŒrlich zu klein. Aber mein Ă€lterer Sohn liebt Musik. Er sitzt schon ganz still in den Konzerten, liebt aber ebenfalls Theater und andere Stile, wie den des Gitarristen Eric Clapton. Wie ich zuvor schon sagte: Er wird allein seinen Weg finden. Er macht Musik, aber auch Kampfsport fĂŒr Kinder, und er liebt es zu malen. Welches Talent, welches âWunderâ sich durchsetzt, das entscheiden nicht wir, das ist bereits in den Kindern angelegt.