… darf ich gehen. Der Verkehrslehrer Sven Ove Johansson hat mehr als 10.000 Kindergartenkinder betreut. Wir haben ihn einen Tag lang begleitet und erfahren, worauf es bei der Verkehrserziehung ankommt und was Eltern besonders beachten sollten.
Neun große Augenpaare kleiner Menschen ruhen gespannt auf einem Mann in Polizeiuniform, manche der Kinder halten sich die Hand vor die Nase, denn um die geht es gleich. „Ich bin jetzt das Auto. Mal schauen, wessen Nase ich erwische“, sagt Sven Ove Johansson. Dann schreitet er auf der Straße unmittelbar neben dem Bordstein (den die Kinder als „Haltestein“ erklärt bekommen) entlang, sein Unterarm ist seitlich über dem Bordstein ausgestreckt. In einer Reihe stehen die Kinder auf dem Bordstein, Johansson will prüfen, ob sie einen Schritt vom Rand aus weg von der Straße gemacht haben, wie er es ihnen erklärt hat. Wen er jetzt mit seinem Unterarm berührt, der steht noch zu nah an der Straße. Denn ein Auto, so hat Johansson den Kindern beigebracht, kann mit seinem Seitenspiegel auch von der Straße aus auf den Bordstein reichen. Zwei der Kindergartenkinder erwischt Johansson mit seiner ausgestreckten Hand. Er grinst. „Nase ab. Okay, versuchen wir es noch mal.
“Sven Ove Johansson, 63, ist Verkehrslehrer und betreut rund hundert Kindergärten in Hamburg. Zwei bis drei Stunden dauert ein Besuch von ihm, und in dieser Zeit gelingt ihm jedes Mal etwas regelrecht Magisches: Er macht aus den schwächsten aller Verkehrsteilnehmer – den kleinen Fußgängern – selbstbewusste Personen, die sich sicher und souverän über Straßen und Fußwege bewegen können. Heute ist Johansson mit neun Kindern unterwegs im Hamburger Stadtteil Sankt Pauli. Nachdem alle Nasen heil geblieben sind, lernen die Kinder, wie sie sich zwischen zwei parkenden Autos benehmen. Der fünfjährige Benjamin ist dran. Er steht zwischen zwei Autos und wartet ein heranfahrendes Auto ab. Als der Fahrer sieht, dass dort ein Verkehrspolizist und ein Kind stehen, bremst er natürlich und macht ein Zeichen mit der Hand, dass man vor ihm die Straße überqueren könne. Jetzt kommt Benjamins großer Moment. Er schüttelt den Kopf und macht selbst ein Zeichen, dass das Auto doch vor ihm vorbeifahren soll. Dann dreht er sich zu Sven Ove Johansson um und zeigt ein breites Grinsen. Benjamin hat einem Auto gesagt, was es machen soll – und das hat es gemacht.
„Bei den Basics sind Eltern sorgfältig, aber …“
Weil es immer zu Missverständnissen kommen kann zwischen Fußgängern und Autofahrern, hat Johansson seinen Schützlingen eingeschärft, Autos durchzuwinken und die Straße erst zu überqueren, wenn kein Auto in Sicht ist. „Die Kinder sind hinter den parkenden Autos gut geschützt, und wenn sie von dort aus auch noch fahrende Autos dirigieren können, dann macht sie das stolz“, sagt Johansson. Und sie werden selbstbewusst – weil sie eigenständig und verantwortungsvoll handeln. Den Kindern Verantwortung übertragen, das ist es vor allem, was die Eltern laut Johansson zu sehr vernachlässigen. „Die allermeisten Eltern sind bei den Basics der Verkehrserziehung, die man etwa ab dem zweiten Lebensjahr seinen Kindern beibringt, sehr sorgfältig, das ist schön“, sagt er. „Aber den Kindern wird leider oft zu wenig Raum gegeben, ihr Wissen selbstständig anzuwenden“, so Johansson. Aus dem Bedürfnis zu beschützen ließen viele Eltern beim Verkehr keine eigenständigen Entscheidungen des Kindes zu.
Kinder müssen lernen, sich selbst zu trauen.
Dabei solle man gar nicht das Kind allein über die Straße schicken und Gefahren aussetzen, sagt Johansson. „Man muss natürlich immer dabei sein. Aber man kann immer mal wieder testen, wie viel das Kind kann, indem man sagt: Heute entscheidest Du mal, wie wir zum Einkaufen kommen, wann wir über die Straße gehen und worauf wir achten.“
Die Voraussetzung dafür ist Zeit. Kinder können Entfernungen und Geschwindigkeiten nicht gut einschätzen. Wenn sie warten, weil ein Auto am Horizont auftaucht, dann sollte man mit ihnen warten und ihnen die Verantwortung nicht gleich wieder entziehen und sagen, dass das Auto noch weit weg sei. Und wenn die Kinder in der Kita oder bei einem Verkehrslehrer wie Sven Ove Johansson gelernt haben, dass man bei jeder Ecke erst vorsichtig schauen soll, ob da nicht ein Roller kommt, kann ein Weg schon mal fünf Minuten länger dauern. „Diese Zeit zu investieren lohnt sich“, sagt Johansson. Kinder müssen lernen, sich selbst zu trauen.
Johansson geht mit seinen neun Schützlingen auf dem Gehweg entlang, da pfeift er plötzlich laut. Alle halten inne, jeder sucht nach dem Fehler, der gemacht wurde. Da ruft ein Knirps: „Der da, Fahrrad auf dem Gehweg!“ Er hat recht. Ein Mann fährt mit dem Rad langsam auf dem Gehweg. Verboten, denn: „Der Lenker kann uns beim Ausweichen ins Gesicht kommen“, erklärt einer von Johanssons Schützlingen dem Fahrradfahrer. Wenn er nach zwei Stunden wieder geht, hat Johansson den Kleinen eine Menge beigebracht, unter anderem: was Verkehrszonen wie Gehwege, Spielstraßen, Ein und Ausfahrten sind oder eine Straße auf einem Zebrastreifen, an einer Ampel und ohne Verkehrszeichen zu überqueren. Ein paar Merksprüche: „Stehen, sehen, gehen“; „Erst wenn alle Räder stehen, darf ich gehen“. Und nicht zuletzt eine sichere Methode, um herauszufinden, wo links ist: zehnmal hochhüpfen und dann fühlen, auf welcher Seite das Herz hämmert.
Sicher die Straße überqueren – Regeln für Verkehrsanfänger.
Wenn ich zwischen parkenden Autos die Straße überqueren will, schaue ich erst in beide Autos, ob jemand am Steuer sitzt. Dann stelle ich mich so zwischen die Autos, dass ich die Fahrbahn einsehen kann.
Am Zebrastreifen darf ich die Schranke machen, also die Hand ausstrecken, um zu zeigen, dass ich die Straße überqueren will. Ich gehe aber erst, wenn die Autos wirklich stehen.
Ein grünes Ampelmännchen bedeutet nicht zwangsweise, dass kein Auto kommt. Daher schaue ich auch hier vorm Überqueren in alle Richtungen. Am wichtigsten: der Rechts-links-Check.
Am besten trage ich immer eine Warnweste. Und Fahrradhelm sowieso!
Ich renne nicht, sondern gehe ruhig und konzentriert durch den Verkehr.
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