Kunst aus Müll? - Kita kinderzimmer Hamburg

Kunst aus Müll?

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Text: Christian Heinrich | Fotos: Bernd Westphal

Ob Plastikflasche, Schuhkarton oder Nussschale: Kinder können allen Dingen einen Spielwert abgewinnen. Beim Probieren, Experimentieren und Basteln entstehen neue Ideen, wie man etwas nutzen oder umbauen kann. Das sorgt zu Hause manchmal für Chaos, fördert aber unter anderem die Kreativität.

Man kann mit Sachen aus dem Bastelladen hantieren, also mit Perlen, Knete oder Moosgummi – muss man aber nicht! Kunst und bildnerisches Gestalten sind ein riesengroßes, buntes Experiment, und alles kann dafür benutzt und umfunktioniert werden: Wolle, Kastanien, alte Klopapierrollen, Tannenzapfen, verlassene Schneckenhäuschen oder Stoffreste und Knöpfe. Die Lerneffekte: Erstens – aha, man kann Dinge ja auch anders verwenden, als es ursprünglich angedacht war! Zweitens – ein Gegenstand kann ein Symbol sein: Ein paar Knöpfe können ein Gesicht darstellen, da ist Fantasie gefragt! Drittens – man kann es sich auch mal einfach machen und zum Basteln einen Gegenstand benutzen, der schon fertig ist. Viertens – man bekommt ein erstes Verständnis davon, dass man aus dem, was die Natur uns schenkt, oder aus Müll etwas Neues machen kann, so wird nichts verschwendet. Kinderhände verwandeln noch das unscheinbarste Ding in Kunst – und lernen den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen, wenn sie den Joghurtbecher als Wasserbecher benutzen oder das Blatt Papier von beiden Seiten bemalen.

Ich war eine Dose!

So war das alles gar nicht geplant. Da hat man für seine Tochter sorgfältig ein tolles Geschenk ausgesucht, ein Dino-Puzzle mit zwölf Teilen, die Frau im Geschäft hat es noch eingepackt, und heute, am großen Tag, dem zweiten Geburtstag, packt sie es endlich aus, guckt es an, sagt brav Danke – und spielt die nächste halbe Stunde in aller Ruhe mit dem Geschenkpapier und dem Geschenkband. Sie versucht, es zusammenzuknüllen und zu werfen, wickelt das Band um das Papier und das Papier um das Band, faltet das Papier immer wieder, streicht über die kleinen Tiger, die dort abgebildet sind. Das Puzzle bleibt in der Ecke liegen und wird keines Blickes mehr gewürdigt. Spielzeug – was das ist und wie es verwendet wird, machen Kinder nicht am Etikett fest. Sie entscheiden selbst und spontan, was sich gerade für welches Spiel eignet. Duplosteine kann man in der Badewanne auch als eine Armada kleiner Boote verwenden, statt sie zusammenzustecken. Und mit einem Buch mit festem Einband lässt sich prima ein Haus bauen. Oder mit vielen Büchern gleich ein ganzes Dorf!

Alltagsgegenstände haben einen besonderen Reiz. Nehmen wir nur die Plastikflasche mit Sprudelwasser drin. Da geht es aus Kindersicht zunächst einmal darum, sie zu ergründen und zu verstehen, im Großen wie im Kleinen. Wie ist das mit dem Deckel, wenn der drauf ist, kommt dann wirklich kein Wasser mehr raus, auch wenn man die Flasche umdreht? Wie fest muss man den Deckel zuschrauben? Papa, wer hat das Sprudelwasser da eigentlich eingefüllt? Mama, wer hat die Flasche überhaupt gebaut? Was geschieht denn mit ihr, wenn wir alles ausgetrunken haben? Und, jetzt in diesem Moment gerade viel spannender: Was kann ich damit machen?

Für Kinder ist es ein erhebendes Erlebnis, wenn sie Dingen einen neuen Zweck zuweisen können. Es verleiht ihnen nicht nur eine gewisse Macht. Wenn sie zum Beispiel eine Dose mit Augen bemalen und mit zwei Papierschnipseln als Ohren bekleben, haben sie einen neuen Spielkameraden: Dieter, die Dose. Auf solche Weise leben Kinder auch ihre Kreativität aus. Sie erkennen Ähnlichkeiten und Möglichkeiten, vollbringen im Kopf Transferleistungen und (er)finden neuen Sinn im Unsinn.

Freiheit als Schlüssel zur Kreativität.

Dabei sollten Sie Ihr Kind unbedingt unterstützen. Der Schlüssel dafür ist ein gewisses Maß an Freiheit. Natürlich gibt es Grenzen: Mit Essen spielt man nicht, ein scharfes Messer gehört nicht unbeaufsichtigt in Kinderhände, mit Porzellangeschirr sollten keine Schwerkraftexperimente durchgeführt werden. Aber wenn der Racker ein Haus baut aus allen Kissen und Kuscheltieren und damit das Wohnzimmer in rechte Unordnung bringt, dann lassen Sie dem Kind ausnahmsweise auch mal das Vergnügen. Wenn die Geschwisterkinder den Altpapierkarton auskippen und die Blätter und Pappen nach Größe und Farbe sortieren, dann schimpfen Sie nur sachte und räumen gemeinsam alles einfach wieder zurück in den Karton.

Nutzen Sie die Gelegenheit doch, um den Kindern zu erklären, warum Papier getrennt werden muss vom übrigen Müll, dass daraus neues Papier entsteht, „Recycling papier“. So lernen die Kinder ganz nebenbei, wie alles zusammenhängt.