Bildnerisches Gestalten
Warum spielen Kinder gerne Theater?
Kinder lieben es, in andere Rollen zu schlüpfen oder eine Geschichte im Theater vorgespielt zu bekommen. Warum ist das so? Eine Liebeserklärung ans Lampenfieber.
Text: Roland Rödermund | Fotos: Sonja Tobias
Räuber und Polizist. Vater, Mutter, Kind. Im Supermarkt. Oder einfach: Weltraum! Ab etwa drei Jahren fangen Kinder intensiv an, Situationen, die sie aus ihrer Familie oder auch aus ihrer Lieblingsserie kennen, mit verteilten Rollen nachzuspielen. Es ist wirklich erstaunlich, wie sich ein Rudel Vierjähriger eine halbe Stunde inbrünstig damit beschäftigen kann, immer wieder von links nach rechts durch den Raum zu laufen und dabei aufheulende Geräusche von sich zu geben. „Wir fahren durch den Himmel und suchen neue Planeten“, erklären sie dem ahnungslosen Erwachsenen und fliegen auch schon weiter mit ihren Heul-Spaceshuttles durchs All. Oder, auch schön: wie detailverliebt Kinder Einkaufssituationen im Kaufladen nachspielen können.
Ein Wesen, das Quatsch macht.
Die Rollen sind meist klar verteilt, oft durch ein älteres Kind als „Regisseur“ oder Bestimmer. Einerseits imitieren die Kinder Vorgänge, die sie von den Erwachsenen kennen, andererseits versuchen sie, diese Situationen im kindlichen Spiel zu begreifen – und in Handlungen umzusetzen. Manchmal spielen sie auch innere Ängste und Konflikte nach oder verarbeiten sie. Und manchmal wollen sie sich einfach nur in ein Wesen hineinversetzen, das Quatschgeräusche macht. Dabei sind der kindlichen Fantasie keine Grenzen gesetzt: Man kann sich auch mal schnell von der Omi in einen Löwen verwandeln und alle kurz erschrecken.

Lampenfieber senken, Selbstbewusstsein steigern.
Apropos Bühne: Im Morgenkreis ermuntern wir alle Kinder, uns aus ihrem Leben zu erzählen. Was sie gestern gemacht haben, wie sie Weihnachten feiern oder wie es im Tierpark war. Dabei geht es auch darum, dass sie lernen, ihre Stimme zu finden und den anderen eine Geschichte zu erzählen. Manche Kinder machen das von sich aus sehr gern, andere sind da zurückhaltender. Durch Bühnen- oder Redepräsenz lernen Kinder Schritt für Schritt, vor anderen zu sprechen und das eventuelle Lampenfieber, die Scheu vor den Zuhörern zu überwinden und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das ist eine gute Voraussetzung für später – laut zu sagen, was man möchte oder was man erlebt hat. Und vor allem, es vor anderen sagen zu können.
Unser Autor hatte auch ein super Hasenkostüm (seine Mutter nähte ihm fürs Theaterdebüt als Erstklässler eins aus Teddyfell). In der vierten Klasse war er „Hans im Glück“ für die i-Männchen. Inzwischen schaut er lieber regelmäßig Theaterstücke an, als selbst mit Hasenohren auf der Bühne zu stehen.