Braucht mein Kind schon Apps? - Kita kinderzimmer Hamburg

Braucht mein Kind schon Apps?

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Text: Christian Heinrich

Der Hase, es ist ein Notfall! Mit schmerzverzerrtem Gesicht sitzt er vor uns und erzählt, was geschehen ist: Er hat sich mit der Schere geschnitten! Und tatsächlich: Da ist Blut an seiner linken Pfote! Damit ist er bei uns aber genau richtig: Wir schieben ein Pflaster aus dem Schrank auf seine Pfote, und bald geht es ihm besser. Ein Glück!

Die App „Kleiner Fuchs Tierarzt“ ist ein besonders erfolgreiches Beispiel von mittlerweile Hunderten Apps speziell für Kinder. Die allermeisten davon sind kleine Spiele. Es geht darum, einer Katze etwas zu fressen zu geben oder Buchstabenpuzzles zu lösen, einen Kran zu steuern oder gemeinsam mit dem Sandmännchen den Kindern Traumsand in die Augen zu streuen. Wenn die Apps hochwertig sind und ihre Nutzungszeit begrenzt ist, können die Kinder davon tatsächlich auf vielfache Weise profitieren. Unter anderem werden sie mit dem Prinzip und der Bedienung eines Touchscreens vertraut, sie lernen den Umgang mit digitalen Medien, darunter etwa die Symbolik und Menüführung. Und eine App vermittelt noch etwas anderes, ganz Wesentliches:

Kreativität! Man könnte meinen, wenn ein Kind vor einem Bildschirm sitzt, dann habe das nichts mit Kreativität zu tun. Aber die Kinder werden bei den meisten Apps ja nicht passiv unterhalten. Sie sind selbst aktiv, müssen wischen, etwas bauen, ein Rätsel lösen. Und auf das, was sie machen, bekommen sie ein direktes Feedback, sie interagieren – auch wenn es nur ein Computerprogramm ist.

Doch all diese Vorteile können sich eben nur dann entfalten, wenn die App gut gemacht ist. Leider ist das oft nicht der Fall, die Qualität bei den Kinder-Apps schwankt stark. Das führt zur entscheidenden Frage: Wie finden Sie heraus, ob und wie gut eine App für Ihr Kind geeignet ist, wenn Sie sie gekauft und heruntergeladen haben?

Beginnen wir mit den Themen Werbung und Datenschutz. Die meisten Kindergartenkinder kennen diese Konzepte nicht, und selbst wenn die Eltern versuchen, sie dafür zu sensibilisieren – wirklich medienkompetent sind sie noch lange nicht. Entsprechend anfällig sind sie für Werbung – und damit auch attraktiv für Unternehmen. „Eigentlich sollte es in Apps für Kinder keine Werbung geben“, sagt Timo Dries, der selbst drei Kinder hat und beruflich Kinder-Apps entwickelt. Die Spiele seines Arbeitgebers, der Kinder-App-Schmiede Fox & Sheep, enthalten tatsächlich keine Fremdwerbung. Dafür kosten sie in den App-Stores Geld, meist zwischen zwei und fünf Euro. Vor allem kostenlose Apps sind hingegen mit Werbung oft regelrecht vollgepackt. Und die Kinder werden mit verschiedenen Tricks dazu gebracht, sich diese Reklame anzuschauen. In vielen Spielen hat man zum Beispiel mehrere Versuche, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Wenn man es nicht schafft, dann muss man einen Tag warten, bis man es wieder versuchen kann – es sei denn, man schaut sich ein Werbevideo an. Tatsächlich ist es sinnvoll, in der Beschreibung von Apps darauf zu achten, ob sie werbefrei sind. Dass sie dann meist etwas kosten, lässt sich leider nicht vermeiden – anders könnten sich die Programme nicht finanzieren.

Auch dass Unternehmen sogar bei Kinder-Apps versuchen, Daten zu gewinnen, ist mittlerweile keine Ausnahme mehr. Noch geschieht das vor allem im Elternbereich: Oft muss man ein Profil anlegen, in dem Eltern eigene Daten und zusätzlich Name, Geschlecht und Alter ihres Kindes angeben sollen. Mittlerweile gibt es aber auch in manchen Apps während des Spiels Aufforderungen an die Kinder, eigene Daten preiszugeben: Mal muss man so viele Stöcke antippen, wie man Jahre alt ist, mal soll man einen Jungen oder ein Mädchen antippen und verrät damit, welches Geschlecht man hat. Um solche Tricks zu entdecken, sollten Sie als Eltern zumindest bei den ersten Sitzungen Ihres Kindes mit einer neuen App dabei sein. Aber nicht nur deshalb.

Die Qualität einer Kinder-App zeigt sich oft an Details.

Es geht auch darum zu erkennen, ob die Apps mit einer gewissen Sorgfalt entwickelt worden sind. Denn gerade weil das Geschäft mit Apps mittlerweile hart umkämpft ist, sind viele Hersteller unter Druck, möglichst billig möglichst viele Apps zu entwickeln. Entsprechend ist vieles leider nicht besonders durchdacht. Wenn es zum Beispiel Erklärtexte gibt in einer App, die eigentlich für ein Alter gemacht ist, in dem Kinder noch nicht lesen können. Oder wenn in einer Mathe-App das Multiplikationszeichen ein x ist – obwohl Kinder doch später in der Schule lernen, ein • zu verwenden.

Gerade weil es um Details geht, können Eltern die Qualität einer Kinder-App oft erst dann wirklich beurteilen, wenn sie sie schon gekauft oder heruntergeladen haben. Aber mit einer kurzen Recherche kann man auch vorher schon einen recht guten Eindruck von einer App bekommen: Empfehlungen, Testberichte im Internet und die Bewertungen und Kommentare im App-Store geben erste Anhaltspunkte auf die Qualität. „Manchmal kann auch die Kurzbeschreibung der App aufschlussreich sein. Wenn es in einem Spiel zum Beispiel um Sprache geht, und die Beschreibung ist bereits voller Rechtschreibfehler, dann würde ich die Finger davon lassen“, sagt Timo Dries.

Angenommen, Sie haben endlich eine tolle App gefunden – wie lange am Stück und wie oft sollte Ihr Kind damit spielen dürfen? Zur Nutzungsdauer digitaler Medien gibt es eine Reihe verschiedener Empfehlungen (lesen Sie mehr dazu im Buch Know Howdy/Natur, Umwelt und Technik ab Seite 20). Letztlich muss jede Familie die Nutzung unter sich ausmachen. Dabei ist die Strategie einer strengen Begrenzung, in der das Tablet oder das Smartphone womöglich sogar nur als besondere Belohnung freigegeben wird, nicht immer empfehlenswert.

Auf diese Weise wird dem Gerät eine überhöhte Bedeutung zuteil, es wird ein Objekt der Begierde – und das will man ja eigentlich gerade nicht erreichen. Bei Timo Dries zum Beispiel ist das zu Hause anders, das Tablet gehörte von Anfang an zum Alltag dazu. „Die Kinder benutzen es heute vielleicht zwei-, dreimal in der Woche und dann etwa für eine halbe Stunde. Wir brauchen fast nie zu sagen: Jetzt hast Du aber genug vor dem Bildschirm gesessen. So weit kommt es gar nicht“, sagt Dries.

Doch wenn es nicht dermaßen entspannt läuft, wenn Ihr Kind am liebsten stundenlang auf dem Tablet kranke Tiere verarzten möchte, dann sollten Sie als Eltern natürlich als Gatekeeper fungieren und Grenzen setzen.
Bei vielen unserer Apps lässt sich im Menü ein Timer einstellen: Wenn die Zeit abgelaufen ist, schließt sich die App von selbst. Aber erklären Sie Ihrem Kind ruhig zusätzlich, dass die Zeit vor dem Tablet begrenzt werden sollte.

Gelingt es, die Zeit zu limitieren, dann können Apps durchaus die Versprechungen einlösen, die ihre Hersteller und auch Pädagogen machen. Was sie allerdings nicht sind: ein Ersatz für andere Lernmöglichkeiten. Sie ersetzen weder Bücher noch irgendetwas anderes, auch nicht den Fernseher. „Apps ergänzen den Lern- und Erlebniskosmos der Kinder. Sie können das vertiefen, was man anderswo lernt und erlebt“, sagt Timo Dries. Nehmen wir zum Beispiel das Sandmännchen: Im Buch liest man darüber, im Fernseher sieht man es, und in der App hilft man ihm, alle Kinder mit Sand zu versorgen. „Apps geben den Kindern einen weiteren und meist anderen Weg zu Wissen und Können“, sagt Dries.

Entsprechend können Kinder-Apps, wenn sie sorgfältig ausgewählt und in Grenzen verwendet werden, ein großer Gewinn sein: Sie erweitern das Lernen und Erleben Ihres Kindes um eine weitere Dimension.

Unter www.schau-hin.info findet sich ein umfassender Elternratgeber des Bundesfamilienministeriums zum Thema Kinder und Medien. Dabei geht es nicht nur um Tablets, sondern unter anderem auch um Fernsehen, Computerspiele und Smartphones.