Muss mein Kind schon Schreiben können? - Kita kinderzimmer Hamburg

Muss mein Kind schon Schreiben können?

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Text: Christian Heinrich | Fotos: Sonja Tobias

Der Weg zur Schrift, zum geschriebenen Wort, ist für Kinder die Sprache. Dass die Schrift auch etwas mit gesprochenen Wörtern zu tun hat, wird für sie im Laufe der ersten Jahre von selbst klar: Wenn Papa ein Buch mit diesen kleinen schwarzen Zeichen öffnet, die er Buchstaben nennt, dann erzählt er eine Geschichte, die offenbar in diesen Buchstaben drin ist, irgendwie – Vorlesen nennt man das. So in etwa wird Ihr Kind die Schrift anfangs wahrnehmen. Der Schrift begegnen Kinder dabei nicht nur in Büchern, auch auf Einkaufszetteln, Schildern, Plakaten, eigentlich überall. Schließlich folgt regelmäßig die Bitte an Mama oder Papa: „Lies mal vor!“ Oder: „Was steht hier, was heißt das?“

Im Laufe der Zeit lernen Kinder so auch die Regeln und Konventionen der Schriftsprache gewissermaßen nebenbei kennen. Zum Beispiel, was eine Zeile ist, dass man sie von links nach rechts und eine Seite von oben nach unten liest. Und irgendwann kommt es zu ersten konkreten Wiedererkennungseffekten, die über die Erkenntnis „Das ist Schrift“ hinausgehen. Ihr Kind betrachtet jeden Tag in der Kita kurz das Schild an seinem Fach, und dann ist da die Erzieherin, die immer das Gleiche unter die gemalten Bilder für die Eltern schreibt, zu Hause sieht zum Beispiel dieses Eingestickte am Kissen genauso aus – bis schließlich der erste Buchstabe des eigenen Namens und irgendwann der ganze Name als wiedererkennbare Einheit abgespeichert ist! Und dann wird, obwohl man die Buchstaben ja noch nicht entziffern kann, langsam laut vorgelesen: E-le-na.

Ob Kinder die Funktion von Schrift – dass sie nicht einfach nur „Schrift“ ist, sondern dass jede Form und Anordnung jeweils etwas ganz Bestimmtes ausdrückt – wirklich wahrnehmen können, das lässt sich gut mit einem sogenannten gezinkten Memory feststellen. Sie können es leicht zu Hause anfertigen: Beschriften Sie Memorykarten auf der Rückseite mit Buchstaben, jedes Paar bekommt jeweils einen Buchstaben. Wenn nun die verdeckten Karten auf dem Tisch liegen, kann man die Paare anhand der gleichen Buchstaben erkennen. „Dann wäre das Memory ja witzlos“, mögen Sie denken. Aber die Kinder müssen erst eine Beziehung zwischen der Schrift auf der Oberseite und den verdeckten Bildern auf der Rückseite herstellen, das ist für sie nicht selbstverständlich. Erst wenn es gelingt, haben sie die Funktion von Schrift erkannt.

Wann Kinder das ohne Hilfestellung bemerken und bei der Auswahl der Karten umsetzen, ist ganz unterschiedlich. Die meisten schaffen es zur Einschulung, eine entsprechende Verbindung herzustellen. Für die allermeisten Dreijährigen hingegen ist der Gedanke, dass beim gleichen Buchstaben auch jeweils das gleiche Bild darunter ist, noch zu abstrakt.

Schrift ist Abstraktion pur. Kleine, immer gleiche Zeichen, die nach bestimmten Regeln aneinandergereiht und kombiniert werden: Mit diesem Konzept kann ein kleiner Mensch oft erst allmählich etwas anfangen. Und dann ist da noch die Tatsache, dass bei der Schrift ein unmittelbarer Gesprächspartner fehlt: Saskias Nachricht wird ihre Freundin vielleicht erst in ein paar Stunden oder gar Tagen lesen. Eine für Kinder ungewohnte Verschiebung von Zeitebenen. Erst langsam eignen sich Kinder solche Prinzipien und damit das System der Schrift an. Dabei ist oft Geduld gefragt: Dass anfangs zum Beispiel keine richtigen Wortgrenzen beim Schreiben gesetzt werden können, ist kein Defizit, sondern eine normale Entwicklungsstufe.

Um den enormen Lernprozess nicht unnötig zu erschweren, sollten Sie als Erwachsene versuchen, das Lesen und Schreiben aus der Sicht der Lernenden zu betrachten. Das bedeutet unter anderem: Die Buchstaben sollten nicht in ihrer üblichen Form ausgesprochen werden, also B nicht als „be“. Auch wenn viele Kinder vor der Schule das ABC so aufsagen wie wir Erwachsenen, so ist das für den weiteren Schriftspracherwerb doch nicht hilfreich: In der Folge könnten sie beispielsweise das Wort „Ente“ womöglich mit den beiden Buchstaben „NT“ verschriften, denn N sprechen sie als „en“ aus und T als „te“. Um solche Irreführungen zu vermeiden, ist es ratsam, wenn Sie Ihrem Kind die Laute beibringen: ein M als „mmmh“, ein F als „ffff“ und so weiter.

Drängen Sie nicht zu sehr, sonst vergeht Ihrem Kind die Lust.

Daneben sollten Sie, um Ihrem Kind den Weg zur Schriftsprache zu erleichtern, sich klarmachen: Der erste Schritt in Richtung Schrift ist immer die gesprochene Sprache. Je mehr Sie mit Ihrem Kind lesen und sprechen, desto besser wird seine Fähigkeit, Sprache bewusst und gezielt zu benutzen.

Kinder, denen viel vorgelesen wird oder die viele Geschichten hören, sind besser in der Lage, zwischen einer Schriftsprache und einer gesprochenen Sprache zu unterscheiden. Im Deutschen ist dieser Unterschied besonders durch die Wahl der Vergangenheitsform gekennzeichnet. Beim alltäglichen Sprechen benutzt man das Perfekt: „Toni hat am Morgen mit Johanna gespielt.“ In einer (gedruckten) Geschichte steht hingegen meist das Imperfekt, auch Präteritum genannt: „Toni spielte am Morgen mit Johanna.“ Im Laufe der Zeit können Kinder diese verschiedenen Erzählformen bewusst einsetzen, je nach Zusammenhang: Wenn sie von ihrem Tag berichten, benutzen sie das Perfekt; wenn sie eine Geschichte erzählen, verwenden sie passenderweise das Imperfekt. Wer zu solchen Unterscheidungen fähig ist, der wird auch leichter die Regeln der Schriftsprache begreifen.

Wenn man weiß, wie ein Wort klingt, ist der Schritt zum Buchstaben und zur Schrift leicht. Sie können Wörter durch Rhythmus in Silben zerlegen oder klatschen: E-le-fant, Te-le-fon … Auch Reimen ist super, denn durch „Hose, Rose, Dose …“ bekommen Kinder ein Gefühl für fast gleiche Wörter. Neben der direkten Sprachförderung können Sie die feinmotorischen Fähigkeiten Ihres Kindes fördern. Das Kritzeln, Ausmalen und später Malen von Bildern ist natürlich hilfreich, aber auch Kneten oder das Brot selbst zu schmieren bringt etwas – alles, was die Hände trainiert. Und es gibt eine Reihe von Lernbüchern für Fünf- und Sechsjährige, mit denen sich das Schreiben erster Buchstaben trainieren lässt.

Aber Vorsicht: Drängen Sie Ihr Kind nicht zu sehr, sonst vergeht die Lust – und das richtet weit mehr Schaden an, als es nutzt. Irgendwann wird von selbst das Bedürfnis kommen, dieses Schriftbuch mal auszuprobieren. Am Anfang war das Wort. Das erste geschriebene Wort: der eigene Name. Was dann folgt, ist die Entdeckung des Schreibens, des Lesens – des Universums der geschriebenen Sprache.

Buchstabensalat? Da nimmt man am besten erst mal kurze Wörter.

Wenn man weiß, wie ein Wort klingt, ist der Schritt zum Buchstaben und zur Schrift leicht. Sie können Wörter durch Rhythmus in Silben zerlegen oder klatschen: E-le-fant, Te-le-fon … Auch Reimen ist super, denn durch „Hose, Rose, Dose …“ bekommen Kinder ein Gefühl für fast gleiche Wörter. Neben der direkten Sprachförderung können Sie die feinmotorischen Fähigkeiten Ihres Kindes fördern. Das Kritzeln, Ausmalen und später Malen von Bildern ist natürlich hilfreich, aber auch Kneten oder das Brot selbst zu schmieren bringt etwas – alles, was die Hände trainiert. Und es gibt eine Reihe von Lernbüchern für Fünf- und Sechsjährige, mit denen sich das Schreiben erster Buchstaben trainieren lässt.

Aber Vorsicht: Drängen Sie Ihr Kind nicht zu sehr, sonst vergeht die Lust – und das richtet weit mehr Schaden an, als es nutzt. Irgendwann wird von selbst das Bedürfnis kommen, dieses Schriftbuch mal auszuprobieren. Am Anfang war das Wort. Das erste geschriebene Wort: der eigene Name. Was dann folgt, ist die Entdeckung des Schreibens, des Lesens – des Universums der geschriebenen Sprache.