Wie schützen wir unsere Umwelt? - Kita kinderzimmer Hamburg

Wie schützen wir unsere Umwelt?

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„Kinder achten auf das, was ihr Herz sagt.“

Interview: Catharina König | Fotos: I Like Birds (Still) & Benne Ochs (Porträt)

Katrin Mehrer ist pädagogische Leiterin beim Bund für Umwelt und Naturschutz e. V. (BUND), Landesverband Hamburg. Im BUNDHaus im Hamburger Kellinghusenpark sind regelmäßig Kindergarten und Schulgruppen zur Umweltbildung zu Besuch. Doch Umweltschutz ist ein weites Feld: Plastik, Abfall, Wasser, Abgase, Ressourcenverschwendung! Wo soll man da anfangen? Und überhaupt: Lohnt sich das denn? Im Interview erklärt Mehrer, was jeder machen kann, wie Kinder am besten lernen, dass unsere Umwelt schützenswert ist, und welche Vorbildfunktion dabei Eltern haben.

Wie erklärt man Kindern eigentlich, dass es wichtig ist, unsere Umwelt zu schützen?
Das ist wirklich nicht einfach. Ich versuche es immer anhand eines Spiels, denn Umweltschutz ist ein sehr rationaler Begriff. Ich nähere mich dem dadurch an, dass ich unsere Natur als Lebensnetz bezeichne. Dazu stelle ich mich mit den Kindern in einem Kreis auf, und wir fangen an, ein Wollknäuel zu werfen. Daraus spinnen wir nach und nach ein Netz. In diesem Netz sind dann Tiere, Pflanzen, die Sonne, Steine, Böden und Wasser und natürlich auch der Mensch. Wir alle sind Teil davon. Fängt nun einer an, auf einer Seite mehr zu ziehen, gerät dieses Netz in Schieflage. Es entstehen Lücken, und irgendwas fällt auf einer Seite runter.

Ein trauriges Bild. Und sehr anschaulich.
Ja, zerren wir weiter an diesem Netz, werden die Maschen größer, und für die Lebewesen darin entsteht eine andere Ausgangslage. Wir müssen darauf achten, das Lebensnetz zu schützen, so wie es jetzt ist.

Aber haben wir nicht jetzt schon eine Schieflage?
Sicher, aber noch könnte man die Weichen stellen, dass dieses Lebensnetz tragfähig bleibt. Wir stellen den Kindern die Natur als etwas dar, das wir schützen müssen. Was das Beispiel mit dem Netz verdeutlicht, ist, dass wir auch uns Menschen schützen, wenn wir etwas für die Natur tun.

Ab wann verstehen Kinder das denn? Auch schon im Kindergartenalter?
Kinder achten auf das, was ihr Herz sagt, und wollen von sich aus viel für Pflanzen, aber vor allem für pelzige Tiere tun. Die sind ihnen einfach nah. Und das geht schon sehr früh los. Aber es kommt natürlich auch auf die Sozialisation an, wie lebt man Kindern den Respekt vor der Umwelt vor. Ab fünf Jahren entsteht bei vielen Kindern der starke Wunsch, etwas zu tun. Das Verständnis für umfassenderen Naturschutz und das Lebensnetz setzt dann mit sieben, acht Jahren etwa ein. Wenn Kinder in einem Haushalt leben, wo Eltern umweltbewusst sind, ist es natürlich einfacher.

Ich wurde früher von meiner Mutter zum kollektiven Müllsammeln mitgeschleppt – haben solche Aktionen Sinn?
Ich halte so was erst mal für gut. Die Kinder sagen oft: Ich würde gerne etwas tun, aber was? Beim Müllsammeln sehen sie dann, dass teilweise Tiere im Müll ersticken, Regenwürmer in ausgespuckten Kaugummis verkleben. Sie wollen aktiv sein und Verantwortung übernehmen. Ein bisschen skeptisch bin ich bei Müllsammelaktionen, denn dabei sollte es nicht bleiben. Wir behandeln das Thema weiter: Warum gibt es so viel Müll? So kommen wir dahin, dass Müll vermieden werden sollte. Das ist heutzutage wirklich schwierig, weil vieles doppelt und dreifach verpackt ist im Supermarkt. Wir erklären den Kindern dann, warum es wichtig ist, den Müll zu vermeiden. Dass dafür Ressourcen verbraucht werden, diese geschont und bestenfalls recycelt werden sollten.

Haben Sie ein Beispiel?
Wir fragen die Kinder: Sind Blätter Müll? Viele sagen dann Ja – liegen ja auf der Erde rum. Die Kinder lernen bei uns, dass diese Blätter von der Natur recycelt werden, dass das ein nachhaltiger Zyklus ist. Müll hingegen verschwindet nicht, zum großen Teil landet er auf einer Deponie oder wird verbrannt. Aber dadurch ist er ja nicht weg.

Das leuchtet ein. Aber wie erkläre ich einem Kind, dass man zum Beispiel das Wasser nicht einfach laufen lassen sollte beim Händewaschen?
Man muss Kindern gut erklären, welche Auswirkungen das eigene Handeln hat. Auch viele Erwachsene denken: Ach, hier in Deutschland regnet es doch viel, da ist genug Regenwasser vorhanden. Aber das heutige Re- genwasser ist nicht unser Trinkwasser. Unser Hamburger Trinkwasser kommt zum Beispiel auch aus der Heide und ist dort über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende versickert und durch den Boden von vielen Schadstoffen befreit worden. Deshalb muss man es sparsam verwenden. Es dauert, bis man Wasser in dieser Qualität bekommt. Es ist zwar noch genug da, aber man sollte bewusst damit umgehen. Heute sind viele Böden aufgrund der Massentierhaltung und der Güllewirtschaft sehr stark mit Nitrat belastet und können so kaum noch das Wasser säubern. Und in einem Dürresommer wie 2018 merken die Kinder natürlich schnell, dass Wasser fehlt: Pflanzen vertrocknen, und die Bäume verlieren ihre Blätter schon im August. Außerdem zeigen wir oft noch den Vergleich, wie viel Süß und wie viel Salzwasser es auf der Welt gibt: Da haben wir das Verhältnis Eierbecher (trinkbares Süßwasser) zu Badewanne (Salzwasser).

Und wenn ein Kind Blätter von einem Strauch abrupft – machen lassen oder stoppen?
Wenn ich sehe, dass das ein Kind macht, dann frage ich, warum das Kind das tut. Wenn es aus Langeweile geschieht oder einfach so, dann erkläre ich, dass die Pflanzen die Blätter brauchen für die Nahrungsherstellung. Ich rupfe ja auch niemandem aus Langeweile die Haare aus. Wenn das Kind die Blätter zum Basteln möchte, dann sage ich erst mal: Toll, Du machst was mit Naturmaterialien! Vielleicht kannst Du ja auch welche gebrauchen, die schon am Boden liegen. Außerdem soll das Kind mitüberlegen, wie viele Blätter der Strauch wohl abgeben kann. So bringt man das Kind zum Nachdenken. Weg vom gedankenlosen Abrupfen.

Auch beim Essen entsteht viel Abfall, Kinder essen oft nicht auf. Nur, wie erkläre ich das Problem einem Dreijährigen?
Kinder müssen erst abschätzen lernen, wann sie satt sind. Wenn sie sagen: Ich kann nicht mehr!, dann ist das völlig okay. Aber es ist ein Lernprozess, und auch hier wieder müssen Eltern Vorbild sein: ebenfalls aufessen und vielleicht nicht noch Dessert bestellen und davon nur zwei Löffel essen. Hier sollte man erklären: Iss langsam, nimm erst mal weniger, und dann kannst Du Dir nachnehmen, wenn Du noch Hunger hast.

Weit verbreitet ist die Ansicht: Kinder brauchen Fleisch und Fisch, um gesund zu wachsen. Stimmt das – oder ist es ökologisch vertretbar?
Aus ärztlicher Sicht kann ich dazu nichts sagen. Ich würde dafür plädieren, den Fleischkonsum deutlich zu reduzieren. Nur einmal pro Woche und nur noch gutes Fleisch essen. Kein Fleisch aus der Massentierhaltung – dieses Fleisch kann nicht gesund sein! Aus ökologischer Sicht müssen wir dahin kommen.

Noch ein Thema, um das man mit Kindern nicht herumkommt: das ganze Plastikspielzeug! Wie kann man hier Kinder und auch die Verwandtschaft für weniger sensibilisieren?
Wenn ein Kind die eine Sache aus Plastik unbedingt haben möchte, dann finde ich das schon in Ordnung. Man sollte aber unbedingt auf ein sicheres Gütesiegel achten, bei vielen Produkten aus China sind heftige Schadstoffe im Spielzeug. Wir haben mal ein Experiment gemacht, bei dem Grundschüler ihr Kinderzimmer aufzeichnen sollten. Nach fünf Minuten waren alle fertig. Dann fiel ihnen noch etwas ein und noch etwas. Am Ende saßen die Kinder zwei Stunden daran! Da ist ihnen bewusst geworden, dass sie viel zu viel Ballast im Zimmer haben und das meiste nur zweimal bespielt wurde. Kinder wollen und brauchen Raum für Kreativität. Eine Idee wäre, mit einem Kind einen Wunschzettel zu erstellen, wie früher zu Weihnachten. So wird Spielzeug etwas Besonderes, auf das man manchmal warten muss, und es bekommt wieder einen Wert. Unser Leben aber ist auf schnelllebigen Konsum ausgerichtet. Auch hier haben Eltern wieder eine Vorbildfunktion. Entscheidet man sich bewusst für weniger, sollte man diesen Wunsch ebenfalls mit der Verwandtschaft besprechen. Das ist ein Prozess, das weiß ich aus eigener Erfahrung

…Stichwort Konsum: Wir haben Autos, um schnell von A nach B zu kommen, und wir fliegen in den Urlaub, um den Kindern andere Kulturen zu zeigen.
Ich kenne das Dilemma auch! Meine Schwester lebt in Costa Rica. Will ich sie sehen, muss ich ins Flugzeug steigen. Ich habe für mich beschlossen, dass es okay ist, wenn ich dann ausnahmsweise Langstrecke fliege. Aber Flugreisen sind schädlich. Punkt. Man sollte einfach nicht jede freie Minute irgendwohin düsen. Die restlichen Ferien beschließt man dann vielleicht, den Urlaub in der Region zu machen oder mit der Bahn zu verreisen. Generell sollte man nicht jede freie Minute irgendwohin fahren.

Flugreisen und Autofahren vergrößern massiv unseren ökologischen Fußabdruck. Kann man das den Kindern schon erklären?
Kindern den ökologischen Fußabdruck zu erklären bleibt eine Herausforderung. Kinder verstehen aber sehr wohl, dass Ressourcen irgendwoher kommen müssen, und wenn sie verbraucht werden, entsteht irgendwo eine Lücke. Hier kommt das Bild mit dem Lebensnetz wieder ins Spiel. Kindern ist klar, dass wir nur diesen einen Planeten haben und unsere Ressourcen begrenzt sind. Mutter Erde kann nicht immer mehr und mehr geben. Wir können keine neue Erde kreieren.

Bund für Umwelt und Naturschutz e. V. (BUND), www.bund.net
Unsere Autorin wurde schon von klein auf an Umweltschutz herangeführt: Müllsammeln mit der freiwilligen Feuerwehr, JoghurtbecherAuswaschen und der Satz „Licht aus, wenn Du einen Raum verlässt“ waren ständige Begleiter ihrer Kindheit – dazu selbst gefilzte Puschen von Mama.