Demokratie im Kindergarten? Wie kann man sich das denn vorstellen? Kinder an die Macht, und dann Schokolade für alle? Natürlich nicht so ganz. Es geht vielmehr darum, Kinder im Alltag teilhaben zu lassen. Um sie zu umsichtigen, selbst denkenden und handelnden Menschen zu machen.
Demokratie ist ein riesiges Wort, ein mächtiges. Eines, das unser Leben in Deutschland bestimmt und derzeit tagtäglich durch die Nachrichten jongliert wird. Ist die Demokratie gefährdet? Ist sie geschwächt? Muss sie neu gedacht werden? Was heißt Demokratie überhaupt? Also für uns persönlich? Als Bürger, als Familie? Dort stimmt man ja schließlich nicht ständig per Handzeichen über irgendwas ab oder diskutiert jeden Tag das Zusammenleben neu. Trotzdem steckt Demokratie ganz oft im Alltag drin, wir müssen nur wissen, wo. Schon in der Kita können Kinder sich in Demokratie üben – wenn die Erwachsenen es zulassen. Denn der Alltag birgt so viele Möglichkeiten, sich zu entscheiden, zu diskutieren, zu partizipieren. Demokratie heißt: Herrschaft des Volkes. Und was passiert eigentlich, wenn unsere Kleinsten über gewisse Dinge „herrschen“ würden?
Sie können berechtigterweise zunächst stutzen: Demokratie im Kindergarten? Muss das sein? Geht das überhaupt? Beides lässt sich mit einem vehementen Ja beantworten. „Man muss Demokratie als Lebensform im Alltag erlernen, damit man auch im Erwachsenenleben aktiv gestalten kann“, sagt Peggy Eckert von der Deutschen Kinder und Jugendstiftung. Sie ist Programmleiterin des Projekts „Demokratie in Kinderhand“, ein Kinderbeteiligungsprogramm, das Kommunen darin unterstützt, Kinder ihren Lebensraum mitgestalten zu lassen. Natürlich, sagt auch Eckert, müssen Kinder noch nicht wissen, wie Parteien aufgebaut sind. Aber sie können früh lernen mitzubestimmen. Weil Demokratie Gemeinschaftssinn fördert, eigenes Denken und Handeln. Und weil sie schon in den alltäglichsten Handlungen steckt, gar nicht in den großen Gesten.
Bedürfnisse.
Um Demokratie einzufordern, muss man seine eigenen Bedürfnisse kennen. Klingt hochtrabend, wenn man bedenkt, dass man hier über maximal Sechsjährige redet. Aber wenn wir mal ehrlich zu uns sind, wissen Kinder ganz genau, was sie wollen, und kommunizieren uns das auch schon als Babys. „Wir Erwachsenen müssen lernen, ihre Bedürfnisse zu verstehen, und die richtigen Schlüsse ziehen“, sagt Eckert. Also ernst nehmen und auch mal machen lassen. Kinder dürfen eigene Entscheidungen treffen. Wie viel und was sie zum Beispiel essen müssen. Dazu gehört natürlich das Vertrauen der Eltern. Weiß meine Tochter, was gut für sie ist? Dass sie nicht nur trockene Nudeln essen sollte, sondern auch Brokkoli und Kürbis? Wie viel Soße genug ist und wann sie über den Teller läuft? Und ob ein Joghurt besser zum Nachtisch ist als Kuchen? Und ob so ein Mittagsschlaf überhaupt sein muss? Da verliert man schließlich ein bis zwei wertvolle Spielstunden.
Freiheit.
Wenn man nun Kinder ihre Bedürfnisse ausleben lässt, heißt das also, man muss den Kindern, wenn sie Demokratie üben, alles durchgehen lassen? Natürlich nicht, denn auch in der großen Demokratie bestimmt nicht jeder für sich, sondern alle entscheiden gemeinsam. Wie beim kategorischen Imperativ nach Kant, der besagt, dass man zu handeln weiß, wenn man sich in andere hineinversetzt. Motto: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu. Trotzdem ist es wichtig für Kinder zu verstehen, dass ihre Bedürfnisse und Sichtweisen akzeptiert werden und sie gewisse Dinge selbst bestimmen dürfen, sie also frei handeln können. Eltern und Erzieher können, wenn nötig, lenken und anleiten, können mit den Kindern diskutieren und so vielleicht auch endlich lernen, warum Paula die Karotten immer ganz weit von sich wegschiebt und warum Milan Ausflüge in den Zoo nicht mag. Gleiches gilt für Schlafenszeiten von Kindern: Wenn sie entscheiden, bis 15 Uhr Mittagsschlaf zu machen, und dafür erst um 21 Uhr wieder müde sind, kann man das einfach als Entscheidung ihres Biorhythmus annehmen. Auch wenn Schlafen natürlich auf immer und ewig eine Streitfrage bleiben wird: Kinder, die entscheiden, wann sie ihren Mittagsschlaf halten, lernen zu entscheiden. Und wer schreiend durch den Schlafsaal laufen möchte, muss sich halt anpassen. Persönliche Freiheit hat nun mal ihre Grenze im Wohl der anderen.
Partizipation.
Schon in der Kita können Kinder sich in Partizipation üben. Im Morgenkreis erzählt einer, die anderen hören zu. Nach dem Morgenkreis wird darüber abgestimmt, womit die Mittagspause verbracht wird. Wohin wollen die Kinder einen Ausflug machen? Mit welchen Spielzeugen wollen sie den Vormittag über spielen? „Kinder sind Experten ihrer eigenen Lebenswelt“, sagt Eckert, man kann ihnen also auch etwas zutrauen. „Wichtig ist, dass Kinder altersgerecht beteiligt werden: Inwieweit sind Kinder es schon gewohnt, Entscheidungen zu treffen?“ Dabei sollten Erwachsene stets eine Übersetzungsleistung erbringen, also Themen so herunterbrechen, dass alle Kinder sie verstehen. Denn im Prinzip können schon Kinder partizipieren, die noch nicht sprechen können. Im Alltag kann man natürlich nicht immer alles mit Kindern aushandeln. Aber jede Frage, jede Möglichkeit, die wir den Kindern geben, sich zu entscheiden, fördert ihre Selbstwirksamkeit, in dem Moment und für später. Kinder möchten ernst genommen werden, und auch das erreicht ein demokratischer Ansatz. Sie wollen gleichberechtigt behandelt und sozial wertgeschätzt werden, dann klappt das auch mit der Demokratie. Denn wie sagte schon Mahatma Gandhi? „Der Geist der Demokratie kann nicht von außen aufgepfropft werden, er muss von innen heraus kommen.“ Deshalb muss er so früh wie möglich gefördert werden.
Auch unsere Autorin lässt ihre eineinhalbjährige Tochter schon mitentscheiden, zum Beispiel was sie essen möchte. Da kommt allerdings immer eine einzige Antwort: Nudeln. Was dann hilft: Verhandlungsgeschick – auch wichtig für die Demokratie.
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