Soziale und kulturelle Umwelt
Regeln fĂŒr Kinder – Welche brauchen sie?
Nach dem Essen ZĂ€hne putzen! Regeln aufstellen ist leicht. Aber wie schaffen wir es, dass sich alle dran halten. Und: Muss das ĂŒberhaupt sein?
Dann musst Du aber auch endlich mal konsequent sein.
Text: Sabine Cole
Es gibt wohl kaum einen Satz, den MuÌtter von ihren MĂ€nnern, MĂ€nner von ihren MuÌttern, VĂ€ter von ihren Frauen oder wer von wem auch immer so oft hören. Gemeint ist damit: Wenn Dein Kind etwas tut, was nicht erwuÌnscht ist, und Du hast tausendmal wiederholt, dass das gegen die Regeln ist, dann muss man das Fehlverhalten irgendwann sanktionieren. Das finden wir dann konsequent. Wirklich? Lassen Sie uns mal daruÌber nachdenken.

Kinder tun viel, was Eltern fuÌr falsch halten. Socken ausziehen und aus dem Kinderwagen schmeiĂen. Sich hinsetzen, wenn die StraĂe nass ist. WĂ€nde anmalen, wenn keiner guckt. Einen Keks stibitzen, obwohl die ZĂ€hne schon geputzt sind. Aus dem Wohnzimmer jeden Abend einen âSaustallâ machen. Eltern sagen dann bei kleinen Kindern: âNeeeeein. Bah.â âLass das.â âOoooh, nicht schon wieder!â Bei etwas gröĂeren: âIch hab Dir doch gesagt, Du sollst da nicht reinfassen.â âHatten wir das nicht gestern erst?â âWir hatten das doch besprochen.â âJetzt ist aber echt mal gut.â âFreundchen, es reicht.â Nach zwei, drei, vier Jahren Socken auf dem Spielplatz suchen, Töpfe wieder in den Schrank einrĂ€umen, Saft aufwischen, zugucken beim Auf-der-ZahnbuÌrste-Rumlutschen kann man das absichtlich. Denen fĂ€llt immer was Neues ein, uns zu Ă€rgern. Die testen, wie weit sie gehen können. Die muÌssen jetzt aber endlich mal die Konsequenzen spuÌren!
Und was wĂ€re eine Konsequenz, die kleine Leute spuÌren, die sich noch nicht selbst regulieren können und noch wenig ausgebildete intellektuelle FĂ€higkeiten zum Nachvollziehen von Argumenten besitzen? Wenn man sich in eine PfuÌtze setzt, kriegt man einen nassen Hosenboden. Das kann ziemlich ungemuÌtlich sein. Der kalte Hintern (sofern keine Windel dazwischensteckt) ist die unmittelbare Konsequenz aus einer Handlung, die ein Kind nachvollziehen kann. Zur Strafe am Abend nichts vorgelesen zu bekommen wird ein kleines Kind nicht mit der PfuÌtze in Verbindung bringen. Sondern sich abgelehnt fuÌhlen und ungluÌcklich sein, weil ihm die liebste Zeit des Tages genommen wurde. Nach dem Keks noch mal ZĂ€hne putzen ist eine logische Folge, die keinen SpaĂ macht, aber in verstĂ€ndlichem Zusammenhang mit dem Keks steht. Eine Woche Kekse zu verbieten ist eine Strafe, die das Kind am nĂ€chsten Tag nicht verstehen wird, weil das Keksverbot in keinem Wesenszusammenhang mit der ollen BuÌrste gesehen wird.
Regelhaftes Verhalten verlangt Disziplin.
Konsequenz im Sinne von Sanktion, also Strafe, ist etwas anderes, als verlĂ€ssliche Grenzen zu ziehen, gemeinsame Regeln festzulegen und auf ihrer Einhaltung (weitestgehend) zu beharren. Konsistentes, regelhaftes Verhalten verlangt vor allem von Eltern eine ziemliche Disziplin. Kinder lieben Regeln und gleichförmige AblĂ€ufe. Regeln sind ein sicherer Raum, in dem sie sich bewegen und in dem sie sich ausprobieren können. Zumindest wenn die Regeln dem Alter angemessen angelegt sind. Es kann nĂ€mlich durchaus vorkommen, dass mit der Regel was nicht stimmt und weniger mit dem Verhalten des Kindes. Kaut das Kind immer geistesabwesend auf der ZahnbuÌrste rum, ist es vielleicht einfach zu spĂ€t fuÌr enthusiastische Zahnpflege?
Wie doof und abgewertet sich Kinder oft vorkommen, wenn sie vermeintliche Konsequenzen ihres Tuns zu spuÌren bekommen, veranschaulicht die Familientherapeutin Katharina Saalfrank mit einem Perspektivwechsel. Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie wuÌrden von Ihrem Partner mit diesem âIch hab Dir das jetzt tausendmal gesagtâ-Gesichtsausdruck dazu aufgefordert, nun endlich Ordnung in Ihrer Handtasche zu schaffen, damit Sie nicht schon wieder den AutoschluÌssel suchen. Wenn das am nĂ€chsten Tag nicht endlich klappt, dann duÌrfen Sie eine Woche lang nicht Netflix gucken.

Kinder im Kindergartenalter können komplexe Prozesse, die rein uÌber den Verstand ablaufen wie: Einsicht, vorausschauendes Verhalten, abwĂ€gendes oder flexibles Verhalten, noch gar nicht leisten. Erst wenn die entsprechenden Hirnareale ausgebildet sind, werden sie verstehen, was es heiĂt, Mama und Papa jeden Abend mit dem gleichen Theater auf die Nerven zu gehen. Diesen Reifeprozess werden Sie mit Geduld, WertschĂ€tzung, Respekt, Humor und Regeln begleiten. Irgendwann wird es besser, darauf können Sie sich verlassen. Mit aller Konsequenz.
kizi-Tipp:
Regeln gemeinsam festlegen.
Regeln sollten immer gemeinsam mit dem Kind erstellt und besprochen werden!
Grenzen setzen und erklÀren.
ErklĂ€ren Sie, warum Sie bestimmte Grenzen setzen oder Regeln aufstellen. Denn ErklĂ€rungen ermöglichen langfristige Lernprozesse. Wenn die Kinder Ihre Argumente verstehen, kommt die Einsicht oft ganz von allein. Und selbst wenn nicht, fĂŒhlen sie sich jedenfalls nicht willkĂŒrlich behandelt!
Flexibel reagieren.
Kinder sind unterschiedlich. Manche brauchen Grenzen, weil sie alles ausprobieren wollen. Andere wollen und können schon recht gut Eigenverantwortung ĂŒbernehmen. Passen Sie Ihre âGrenzstrategieâ aber in jedem Fall Ihrem Kind an.
Situationen entschÀrfen.
Wenn es um WĂŒnsche und Verbote geht, kann es recht schnell auch mal laut werden. EntschĂ€rfen Sie eine hochgeschaukelte Situation, indem Sie sagen: âDas muss ich mir erst noch ĂŒberlegen.â Dieser Satz nimmt Druck aus der Situation, und alle haben Zeit, erst mal runterzukommen.
Freundlich ignorieren.
Manchmal kann âfreundliches Ignorierenâ auch helfen. Ăbersehen und ĂŒberhören Sie wildes Toben, Jammern und Schimpfen einfach, und sagen Sie so etwas wie: âIch freue mich, wieder was mit Dir zu machen, wenn Du fertig bist.â