Soziale und kulturelle Umwelt
Ist der liebe Gott auch mal böse?
Urknall oder Zufall. Gott, Allah oder Buddha â im kinderzimmer glauben wir, dass man verschiedene Sachen glauben und trotzdem Seite an Seite leben kann.
Jeder Tag ein Fest.
Text: Christian Heinrich
Weihnachten, Ostern, Pfingsten? Klar, das muss gefeiert werden. Aber auch Ramadan, das Diwali-Fest und Halloween sind wichtig. Und warum bekommen eigentlich manche Kinder ihre Geschenke erst am 7. Januar? Von gelebter Religionsvielfalt im kinderzimmer profitieren alle.

Adventszeit, heute basteln die Kinder in der Kita einen Stern â aber nicht alle Kinder. Elias, dessen Eltern Juden sind, fasst die Bastelsachen nicht an. âDer Stern ist doch christlich, es geht ja um die Geburt von Jesus. Ich bin kein Christ. Darf ich da denn mitmachen?â NatuÌrlich, sagt die Erzieherin. Elias ist noch unschluÌssig, er fragt sich, ob seine Mama dann nicht böse wird. Die Erzieherin beruhigt ihn: âBestimmt nicht. Aber wir können sie ja auch kurz anrufen und fragen, wenn Du magst.â
Es ist normal, verschieden zu sein. Auch und besonders in religiöser Hinsicht. Aber das gilt nicht nur fuÌr Religionen, es bezieht sich ebenso auf Essgewohnheiten, kulturelle BrĂ€uche, Traditionen.
In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist festgeschrieben, dass diese Verschiedenheit im Geist der Toleranz und der Begegnung erlebt werden sollte. Die Konvention besagt in Artikel 29, Absatz 1d, dass die Bildung darauf gerichtet sein muss, das Kind auf ein verantwortungsbewusstes Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der VerstÀndigung des Friedens, der Toleranz, der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Freundschaft zwischen allen Völkern und ethnischen, nationalen und religiösen Gruppen vorzubereiten.
Der Ort fuÌr das Erleben der Verschiedenheit â der Vielfalt! â ist in den ersten Lebensjahren vor allem die Kita. Da fruÌhstuÌckt ein Junge, der noch niemals gehört hat von dem Konzept, dass es so etwas wie einen Gott gebe, neben einem MĂ€dchen, das vor jedem Mahl ein kleines Gebet spricht. FuÌr beide ist es eine Chance, die Vielfalt zu erleben und kennenzulernen. Wohl nirgendwo anders wird Ihr Kind mit so vielen verschiedenen Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen und UrspruÌnge so nah und unvoreingenommen in Kontakt kommen.
Dabei muss Religion nicht einmal groĂ thematisiert werden von den Erziehern. FuÌr das eine Kind ist Gott Alltag, fuÌr das andere eine MĂ€rchengeschichte. Entscheidend ist, dass auf die aufkommenden Fragen Ihres Kindes eingegangen wird und eine Offenheit und Toleranz gegenuÌber den verschiedenen Konzepten im Vordergrund steht. Im kinderzimmer feiern wir nicht alle Feste aller Religionen. Wir orientieren uns grob an den Feiertagen in Deutschland, entsprechend spielen Ostern und Weihnachten auch im Kita-Alltag eine Rolle. Aber wenn ein Kind von zu Hause erzĂ€hlt, dass gerade Ramadan ist, Fastenzeit, und die Eltern fuÌr mehrere Wochen nur dann essen, wenn es dunkel ist, laden wir das Kind dazu ein, allen mehr davon zu erzĂ€hlen. Denn der Kontakt zu einer anderen Religion ist kein Tabu, sondern eine Entdeckungsreise. Diese Vorstellung versuchen wir in den Kindern zu verankern.
Kontakt zu anderen Religionen ist kein Tabu.
Das Konzept lĂ€sst sich auch als das Modell einer Art Hausgemeinschaft begreifen: Es gibt verschiedene Wohnungen, die fuÌr die verschiedenen Religionen stehen, und jedes Kind ist in der Regel nur in einer Wohnung zu Hause. Man pflegt aber einen freundschaftlichen Kontakt mit den Nachbarn. Gegenseitig können sich die Bewohner einladen, und im Sinne der Gastfreundschaft wird man RuÌcksicht nehmen aufeinander, etwa auf Essgewohnheiten. In dem âHausâ gibt es keinen Bestimmer, keinen Hausherrn, der definiert, was im Glauben richtig oder falsch ist. Die Erzieher sorgen vor allem dafuÌr, dass die TuÌren in dem Haus nicht verschlossen sind, und fuÌr gegenseitigen Respekt.
Der Alltag in der Kita als gelebte Vielfalt.
Dabei ist eine besondere SensibilitĂ€t gefragt. Unsere Erzieherinnen versuchen bei der sogenannten interreligiösen Erziehung vor allem, die religiöse IdentitĂ€t â falls vorhanden â Ihres Kindes und der Familie in den Mittelpunkt zu stellen. Denn sie ist die Basis, von der aus Ihr Kind Neues entdecken und eben auch auf andere zugehen und neue Perspektiven einnehmen kann. In der Praxis bedeutet das, dass man etwa einem getauften Kind einen arabischen Feiertag erklĂ€rt, indem man ihn mit Weihnachten oder Ostern vergleicht. Zweitens versuchen wir, positiv auf Unterschiede hinzuweisen; es geht bei uns darum, Vielfalt zu entdecken und als etwas Bereicherndes wahrzunehmen. Doch wir greifen auch ein, wenn etwas in eine falsche Richtung lĂ€uft: Unsere Erzieher versuchen, Einseitigkeiten zu erkennen und Benachteiligungen zur Sprache zu bringen und zu beseitigen. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Kind wegen seines Glaubens in der Gruppe auĂen vor ist oder wenn bestimmte religiöse Regeln fuÌr ein Kind oder die Gruppe zum Problem werden.

Wichtige Feiertage â quer durch alle Kulturen.
Weihnachten
FuÌr Kinder bedeutet es meist: Geschenke! Im christlichen Kulturraum prĂ€gt der Feiertag in den Wochen vor dem 25. Dezember die StĂ€dte â WeihnachtsmĂ€rkte uÌberall. Auch in der Kita wird zur Weihnachtszeit gebastelt, gebacken und gesungen.
Weihnachten II
Gut zu wissen: Die sogenannten Ostchristen, das sind Christen unter anderem aus Russland, dem arabischen Raum, aus der TuÌrkei, Iran und Ăthiopien, feiern am 7. Januar Weihnachten â entsprechend lĂ€nger muÌssen auch die Kinder auf ihre Geschenke warten.
Makara Sankranti
Ein hinduistisches Fest, das am 14. oder 15. Januar die Wintersonnenwende ehrt. Die Kinder schenken und essen ausgiebig â SuÌĂigkeiten!
Ostern
Am Sonntag nach dem ersten Vollmond ab FruÌhlingsbeginn, das ist im MĂ€rz oder April, feiern die Christen die Auferstehung Jesu Christi. FuÌr Kinder bedeutet es vor allem: Ostereier suchen! Am Freitag vor Ostern wird uÌbrigens die Kreuzigung Jesu begangen, Karfreitag.
Diwali
Zum Lichterfest Diwali, dem wichtigsten Fest im hinduistischen Kalender, erleuchten zahllose ĂllĂ€mpchen (Diyas) jeden Winkel des Hauses. Die Familien kommen zusammen, es gibt Geschenke, Musik, Tanz!
Zuckerfest
Ramadan ist ein Fastenmonat (Kinder muÌssen aber nicht fasten), der sich nach dem islamischen Kalender richtet. Das Fest des Fastenbrechens im unmittelbaren Anschluss daran ist einer der höchsten Feiertage fuÌr Muslime. Vor allem Kindern ist es auch als Zuckerfest bekannt. Es gibt viel zu essen, man feiert zusammen und beschenkt einander.
Pessach
Das juÌdische Opferfest dauert eine Woche. An den sieben Pessach-Tagen darf sich nichts GesĂ€uertes im Haus befinden, geschweige denn gegessen werden. Daher werden in den Tagen davor Brot, Mehl, Nudeln aus dem Haus verbannt. AnschlieĂend wird gruÌndlich geputzt. Daher kommt vermutlich auch der Brauch des FruÌhjahrsputzes.
Chinesisches Neujahrsfest
Der wichtigste Feiertag in China, er findet jĂ€hrlich an einem wechselnden Tag zwischen dem 21. Januar und 21. Februar statt. Wie bei uns wird auch das chinesische Neujahr mit Feuerwerk und Festessen begruÌĂt. Kinder erhalten an diesem Tag Geldgeschenke in roten UmschlĂ€gen.
Halloween
Nicht religiös, aber fuÌr viele trotzdem wichtig: Am 31. Oktober ziehen verkleidete Kinder von TuÌr zu TuÌr und fragen nach SuÌĂigkeiten. Den Ursprung hat das gruselige Fest in der keltischen Kultur, man glaubte, dass an diesem Tag die Geister zu Besuch kommen.